Auswirkungen nach §1 STaRUG: Erweiterte Sorgfaltspflichten und professionelle Beratungspflicht der Geschäftsleitung

I. Allgemeine Sorgfaltspflicht zur Vermeidung der Insolvenz

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind Geschäftsleiter verpflichtet, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu überwachen und sicherzustellen, dass jederzeit Transparenz über Liquidität, Vermögens- und Ertragslage besteht. Diese Pflicht dient nicht nur der Steuerung des Unternehmens, sondern auch der Vermeidung einer Insolvenz.

Bereits im sogenannten ISION-Urteil (BGH, Urt. v. 14. Mai 2012 – II ZR 234/09) hat der BGH betont, dass die Geschäftsleitung verpflichtet ist, die Zahlungsfähigkeit regelmäßig zu prüfen, ein funktionierendes Controlling- und Berichtssystem zu unterhalten und bei drohender Zahlungsunfähigkeit unverzüglich Sanierungsmaßnahmen einzuleiten oder – bei Aussichtslosigkeit – Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO).

II. Erweiterte Frühwarn- und Krisenreaktionspflicht nach § 1 StaRUG

§ 1 StaRUG schreibt nun erstmals gesetzlich vor, dass die Geschäftsleitung geeignete organisatorische Maßnahmen zur Früherkennung von Krisen zu treffen hat. Damit ist ein funktionierendes Frühwarnsystem nun verbindlicher Bestandteil ordnungsgemäßer Unternehmensführung.

Zu den erforderlichen Instrumenten gehören insbesondere: eine integrierte Liquiditäts- und Finanzplanung, Szenarioanalysen und Frühwarnindikatoren (z. B. Eigenkapitalquote, Auftragseingang, Cashflow), klare Verantwortlichkeiten im Krisenmanagement und eine laufende Berichterstattung. Sobald sich Hinweise auf bestandsgefährdende Entwicklungen ergeben, ist die Geschäftsleitung verpflichtet, unverzüglich zu reagieren – etwa durch operative Anpassungen, Gespräche mit Gläubigern oder die Einleitung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens. Ein Abwarten oder Zögern widerspricht der gesetzlichen Pflicht.

III. Professionelle Beratungspflicht des Geschäftsführers

Die Pflicht zur Krisenfrüherkennung schließt auch die Pflicht zur Einholung fachkundiger Beratung ein. Fehlt der Geschäftsleitung die notwendige Expertise, muss sie qualifizierte externe Unterstützung hinzuziehen. Der BGH hat dies in mehreren Urteilen ausdrücklich betont.

BGH, 14.07.2008 – II ZR 202/07

Fehlende Kenntnisse verpflichten zur fachkundigen Beratung. Entscheidungen dürfen nicht auf ungesicherter Grundlage getroffen werden.

BGH, 18.10.2010 – II ZR 151/09

Schutz durch Business-Judgment-Rule nur bei angemessener Informationsgrundlage. Fehlende Beratung = Verlust des Ermessensschutzes.

BGH, 20.09.2011 – II ZR 234/09

Bei Krisenanzeichen ist externe Beratung einzuholen. Unterlassene Experteneinbindung ist Pflichtverletzung.

BGH, 26.01.2016 – II ZR 394/13

Bei Zweifeln ist rechtzeitig externer Rat einzuholen. Unterbleibt er, haftet der Geschäftsführer persönlich.

Grundsatz:

Ein Geschäftsführer darf nur entscheiden, was er versteht – und muss sich beraten lassen, wenn er es nicht versteht.

IV. Haftungsrisiken und Schutzmaßnahmen

Die erweiterten Pflichten nach § 1 StaRUG führen zu einer deutlichen Haftungsverschärfung. Wer Krisensignale ignoriert oder verspätet reagiert, haftet persönlich nach § 43 GmbHG bzw. § 93 AktG für den entstandenen Schaden. Zur Absicherung sollten Geschäftsleiter ein integriertes Risiko- und Frühwarnsystem einführen, regelmäßige Analysen durchführen, Entscheidungen dokumentieren und rechtzeitig qualifizierte Berater einbinden.

V. Fazit

§ 1 StaRUG markiert den Übergang von der reaktiven Krisenbewältigung zur aktiven Krisenprävention. Die Geschäftsleitung muss Risiken frühzeitig erkennen, strukturiert reagieren und – bei fehlender eigener Expertise – professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Wer diese Pflichten erfüllt, stärkt die Stabilität des Unternehmens und sichert zugleich seine persönliche Haftung ab. Wer sie ignoriert, riskiert beides: die Insolvenz des Unternehmens und seine eigene Verantwortlichkeit.